25.07.2015 Lesung mit Jörg Langmann: „Das Märchen vom Lübecker Marzipanapfel“
Zu unserem „Natur-Kultur-Erlebnis TRAVETRÄUME“ am 25.07.2015 hat Jörg Langmann dieses Märchen neu geschrieben und vorgelesen. Es kommen darin 10 regionale Sagen vor (siehe unten). Es entstand auf meinen Wunsch hin passend zur Ferienaktion „Obstwiesen-Abenteuer“ der Hanse-Obst-Initiative mit Heinz Egleder. Nachdem wir u.a. einen neuen Apfelbaum gepflanzt haben, hat uns Jörg das Märchen vorgelesen.
Ich freue mich sehr über dieses so einzigartige, zauberhafte und gelungene Märchen, VIELEN DANK JÖRG!!! Und nun viel Freude beim Lesen, eure Melanie 🙂
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„Das Märchen vom Lübecker Marzipan-Apfel“
von Jörg Langmann
In Krummesse an der Lübecker Grenze und besonders am Krummesser Baum, da, wo heute die Hanse-Äpfel zu Hause sind, gab es beizeiten einen großen Wachturm und große Menschen – es lebten dort mehrere Riesen. Die Kirchtür der Krummesser Dorfkirche soll deshalb früher viel größer gewesen sein. (1)
Davor – als die ersten Kirchenglocken zu läuten begannen, wanderten die Zwerge und Unnerirdischen über Liubice – so hieß Lübeck früher – und über die Ostsee aus. (2)
Noch früher, bevor das Land beackert und die Äpfel veredelt wurden, war hier Wald, und die Waldmänner und Gelben Wiever,(3) lebten in Eintracht mit den Tieren und Pflanzen.
Eigentlich sollen die Krummesser Riesen nach Amerika (4) ausgewandert sein, es geht jedoch die Kunde, daß einer von ihnen nur bis Lokfeld kam.
Und das kam so:
Die Lübecker Pfeffersäcke bauten einen Grenzwall und am Crummesser Baum einen Wachtturm, um das köstliche Lübecker Martzapaen vor den vielen armen und hungrigen Bauerskindern der Umgebung zu schützen.
Das fand einer der Riesen nicht gerecht und er stapfte los, nach Norden, um das in Lübeck – der Königin der Hanse – zu klären. Der Riese hieß Heinz und seine Vorfahren sollen die Heinzelmännchen gewesen sein.
Doch halt, ein Baum, ein hölzerner Schlagbaum, versperrt ihm den Weg. Die Lübecker achten auf ihren Schutz – lang nicht jeder Riese darf ihre Grenze passieren.
Heinz hat Glück – warten muß er, aber in der Zeit sammelt er in den umliegenden Gärten die schönsten Äpfel für die Reise. Und schöne feine Äpfel gibt es hier – viele viele HanseÄpfel für die Hanse-Stadt Lübeck.
Als er sich einen besonders schön aussehenden Apfel pflücken will, erreicht ihn ein Warnruf. „Halt“, ruft die alte Eule aus ihrem tiefen Loch im Apfelbaum, „willst Du diesen zauberhaften Apfel Dein eigen nennen, braucht er einen Namen, sonst verliert er seine Zauberkraft.“
Ei, ei, so sei es denn ein Lübecker Apfel…
Neein – Du machst es Dir zu einfach – gib Dir gefälligst mehr Mühe!
Da Heinz im Glück von Schneewittchens Zauberapfel schon gehört hat, will er kein Risiko eingehen, wühlt in seinem Gehirn und in seinen Rocktaschen und findet – zusammen mit einem Stück Marzipan – die Idee, diesen Hanse-Apfel mit dem Namen „Lübecker Marzipan Apfel“ zu versehen.
Guhut, guhut , schon besser, und gib ihn erst aus der Hand, wenn Dir Dein Glück winkt, unkt die Eule und auch der Schlagbaum öffnet sich nun wie von allein.
Mit Siebenmeilen-Schritten geht es der großen Stadt entgegen. Die ist für den nun wirklich großen Riesen doch zu groß – trotz und wegen der vielen engen Gassen, hier kann man sich ja verlaufen und steckenbleiben.
Erschöpft von den vielen neuen Eindrücken läßt Heinz sich am Ufer der Trave, da, wo die
Wakenitz einmündet, nieder, betrachtet den Flug der drei Schwanenjungfrauen (5) und
schläft ein.
Er schläft nicht solange wie Dornröschen, aber lange genug, um einen langen Traum zu
träumen.
Seine Vorfahren, Riesen und Zwerge, Unterirdische, Heinzelmännchen und weiße Frauen
ziehen im Traum an ihm vorbei und rühren die Sehnsucht nach Heimat und Familie. Aber
wie dahin gelangen?
Oha, das kann ich Dir sagen, erklingt eine teuflisch tief klingende Stimme – gib mir einfach
etwas von Deinem Reiseproviant, am besten den wunderschönen Apfel in Deiner rechten
Rocktasche und ich führe Dich dorthin, wohin Dein Herz es begehrt.
Gesagt getan, will Heinz sein Glück ganz schnell aus der Tasche ziehen, besinnt sich
jedoch eines besseren, greift schnell in die linke und fördert einen fast ebenso schönen
Hanse-Apfel zu Tage, welchen er seinem stirnrunzelnden Gegenüber überreicht.
Neeiin, neeiin protestiert dieser, ich will den aus Deiner rechten Rocktasche…
Heinz greift in eben diese Tasche und wühlt mit seiner Hand so lange darin herum, bis er
den Apfel so mit dem Marzipanresten eingeschmiert hat, daß er ihn – schwups –
hervorholte und spricht: diesen Pferdeapfel gebe ich Dir gerne für Deinen wohlgemeinten
Rat.
Wutentbrannt schnaubt der Wode, den kannst Du behalten, geh Du bloß nach Westen
dorthin wo der Pfeffer wächst und viel Glück mit Deinem verfl…..Pferdeapfel.
Das war ja einfach, sagt sich Heinz, wacht auf, da habe ich ja Glück gehabt und werde
diesem Flußlauf stromaufwärts folgen.
Den sich in vielen Schleifen windenden Travelauf entlangstapfend, manchmal auch im
Wasserlauf selber, denn zur Sommerszeit gluckert es manchmal nur leise plätschernd,
vermeint er in der Erzählung des Wassers die eine uralte Geschichte zu vernehmen.
Des Teufels Groß(e) Mutter selbst, die Muttergöttin, auch Erdmutter genannt, hat in ihrer
Wut sich so durch das Land gepflügt, daß die Trave und ihre Schleifen entstanden.
Wütend war sie, weil Wuot-an, der später der Verteufelung anheim fiel, sie ungeduldig vor
sich her trieb und peitschte. (6)
So blubbert das Wasser vor sich hin und es ist Heinz, als ob es auch von der Quelle des
Glücks spricht…
Auf jeden Fall stapft er weiter, vorbei an den zu Stein verwandelten Brüdern bei
Hamberge, die ihr Brot in den Schmutz getreten hatten (7), vorbei an der weißen Frau von
Klein-Wesenberg, die sich in eine Wasserpfütze verwandeln kann (8) und an der
Teufelskuhle (9), in der der Teufel verbannt wurde.
Die drei Elschen vom Elschenbek (10) grüßt er freundlich im Vorbeigehen und …
… und jedesmal beißt Heinz gedankenverloren in seinen Glücksapfel und jedesmal
schrumpft er ein klein wenig. Er spürt das nicht, nur das Wasser steigt ihm immer weiter
am Körper hoch, bis es ihm fast bis zum Halse reicht.
So ward aus dem Riesen ein Zwerg, ein Heinzelmann.
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als rechterhand im Furtbereich bei Stormurfeld ans Ufer
zu wechseln und in dem großen Garten auszuruhen, der heute zur Lokfelder Brücke
gehört.
Die Kerne seines zauberhaften Apfels verteilten sich wie von selbst und bald blühten hier
wunderschöne Hanse-Apfelbäume … mit ganz viel Glück und wenn alle Kinder es wollen,
wächst hier auch bald ein Lübecker Marzipan-Apfelbaum.
Jedesmal, wenn Ihr in einen der lieblichen Hanseäpfel beißt, erinnert Euch an die Riesen
und Zwerge, die Schwäne und Waldläufer, die Ihr in jedem blühenden Baum, jedem
plätschernden Bach und in jedem Windhauch spüren könnt. Sie sind hier – so wie der
ZwergRiese Heinz hier ist – und wenn Ihr sie achtet, beschützen sie Euch in dem, was Ihr
von Herzen tut.
Das war die Geschichte von Heinz, der später auch sein Glück mit Schneewittchen fand,
hier als Geist der Lokfelder Brücke auf alles acht gibt und dankbar ist, Euch jetzt diese
Geschichte erzählt zu haben.
(1) Sage aus Krummesse
(2) Sage aus Lübeck
(3) Sage aus Krummesse
(4) Sage aus Krummesse
(5) Sage aus Lübeck
(6) Sage aus Oldesloe
(7) Sage aus Hamberge
(8) Sage aus Klein-Wesenberg
(9) Sage aus Klein-Wesenberg (Barnitz?)
(10) Sage aus Reinfeld
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